<h3>1. Einleitung</h3>
<blockquote>
<p>"The question is not what you look at, but what you see."[2]</p>
</blockquote>
<h4>1.1 Kunst und Kultur als qualitative und normative Begriffe</h4>
<p>Kunst ist wohl einer der besonderen Sammelbegriffe in modernen Gesellschaften, funktioniert er doch als diffuser Platzhalter für so unterschiedliche Themen wie kultureller Verortung, individueller Fertigkeiten, allgemeiner Lebensqualität, qualitativer Bewertungen und gesellschaftlicher Verantwortung – um nur eine kleine Auswahl zu nennen – und ist zugleich, trotz dieser definitorischen Variabilität[3], als ein ausdifferenziertes, autarkes gesellschaftliches Subsystem[4], dessen Spezialisierung – oder, besser: Funktion – jedoch für einen Gutteil der Bevölkerung unverständlich[5] und nur bedingt alltagsrelevant erscheint[6], existent. So sind nicht einfach nur sprachtraditionelle Gründe ursächlich, sondern es bestimmen, wie in anderen Lebenssituationen auch[7], Wissens- und Erfahrungsbasis, habituelle/rituelle Normen und situative kommunikative Anschlussfähigkeit den Gebrauch und damit die Wahrnehmung auf und das Verständnis von Kunst als Phänomen[8].</p>
<p>Ähnlich der populäre Umgang mit dem Begriff Kultur – er wird ebenso qualitativ und normativ, oftmals mit der Implikation des Institutionellen, verwendet, so dass ein systemisches und prozesslogisches Verständnis[9] im Alltäglichen nicht reflektiert wird. Kultur ist jedoch ein werte- und sinnstiftender Prozess (zu) einer Gemeinschaft und ihres sozialen, intellektuellen und emotionalen Vermögens[10]. </p>
<p>Wir sollten also versuchen, wenn wir an Kunst denken, uns nicht einfach nur Objekte, Bilder, Körper und Töne[11] vorzustellen, sondern <u>uinitiierte Prozesse und (menschliche) Interaktionen (Begegnungen) mit spezifischen Eigenschaften</u>; und wenn wir von Kultur sprechen, an <u>Interaktionen unterschiedlicher gesellschaftlicher Prozesse</u> denken. Auch wenn das längst nicht so "schön" ist, wie das Schwelgen in der Erinnerung an einen Rundgang in einem Kunstmuseum oder der letzten "Kulturreise".</p>
<h4>1.2 Kultur hat immer mit Wirtschaft zu tun</h4>
<p>Es ist offensichtlich, dass es ein funktionierendes Gemeinwesen mit seinen Gesetzen und Normen nur geben kann wenn soziale Kontrakte (also allgemeine Übereinkünfte, die eine Basis für den Prozess der Ausformulierung in Gesetze bilden) existieren – welche durch die verbindende Kultur (also den gemeinsamen Kontext der Lebenswirklichkeit) entstehen. Das heisst auch, dass ein geordnetes Wirtschaftsleben mit verbindlichen Verträgen, Sicherheiten und Zahlungsmitteln, dass Eigentum und Unternehmen mit Inhabern, Teilhabern, Mitarbeitern und Angestellten, dass Märkte nur existieren weil eine Basis gesellschaftlich gültiger Absprachen zugrunde liegt[12]. Das mag selbstverständlich oder gar banal klingen - bis man sich einige der, gar nicht so weit entfernten, instabilen Regionen anschaut oder geschichtlich einfach etwas zurück geht.[13]</p>
<p>Und, auch wenn es manchen Akteuren, inklusive Betrachtern[14] in den Künsten nicht gefallen, oder deren insularem Weltenverständnis widersprechen mag: Künstler stehen nicht ausserhalb der Gesellschaft und Wirtschaft hat immer mit Kultur zu tun[15], so wie alle anderen gesellschaftlichen Subsysteme[16] ebenfalls untereinander verbunden sind und eben dieses Gefüge bilden, welches wir – als Summe von Kommunikationsritualen – <u>Gesellschaft</u> nennen. </p>
<h4>1.3 Akteure mit (kultureller/sozialer) Verantwortung</h4>
<p>Das bedeutet, dass ein kulturell und sozial verantwortliches Handeln aller Akteure und Institutionen kein optionaler Luxus ist, den man sich leistet nachdem für alles andere gesorgt ist, sondern schlichtweg eine überlebensnotwendige Implikation aller Entscheidungen – denkt man über den nächsten Quartalsabschluss, Forschungsetat oder Gehaltsscheck hinaus.</p>
<p>Wenn nun Kunst und Wirtschaft oder Kunst und die Wissenschaften erklärtermassen oder ungeplant interagieren, werden unterschiedliche Auffassungen, Erwartungen und Rituale besonders deutlich sichtbar – da es sich um </u>unterschiedliche Kommunikationssysteme handelt, welche Kommunikationsformen ausbilden müssen, um sich über ihre eigenen Definitionsgrenzen hinaus austauschen zu können um anschlussfähig zu sein</u>. Zugleich finden in diesem Prozess Bewertungen und Entscheidungen auf der Basis unterschiedlicher Werte und Interessensabwägungen statt, welche den Sinn, Nutzen und Ergebnisse der Zusammenarbeiten essentiell beeinflussen. </p>
<p>Ich möchte im Folgenden eine Auswahl grundlegender Hinweise als Denkanstösse geben, welche sich in meiner praktischen Tätigkeit als Künstler im Wissenschafts- und Wirtschaftsumfeld als hilfreich erwiesen haben. Diese Ausführung ist – dem Publikationsformat geschuldet – bei weitem nicht umfassend oder gar vollständig, soll aber einen Einblick in die Komplexität der Praxis geben und versuchen, einigen der gängigen Missverständnisse und (Selbst-)Beschränkungen konstruktiv zu begegnen.</p>
<h3>2. Zielorientierung ist Denken und Handeln in Konventionen</h3>
<h4>2.1 Alltag und Effizienz oder Erkenntnis und Effektivität</h4>
<p>Die alltägliche Form strukturierten unternehmerischen Handelns orientiert sich an diversen Managementansätzen um in Prozessen erkannte Probleme zu beschreiben und ein oder mehrere Ziele zu definieren um dann effiziente Wege zur Erreichung dieser einzuschlagen. Dies ist in vielen Fällen durchaus sinnvoll – inbesondere, wenn es sich um kurzfristige, wenig komplexe und sich wiederholende Aufgaben handelt – weil sich so Erlerntes und Erfahrung als alltagspraktisches Know-How anwenden lässt und die Koordinierung zwischen den Handelnden zur Effizienzsteigerung vereinfacht wird. </p>
<p>Bei Prozessen und visionären Ideen, welche eine Institution als Erkenntnis (Kompetenz) über den momentanen Alltagsgebrauch hinaus entwickeln will – selbst bei so naheliegenden Themen wie des Corporate Development, interdisziplinärer Forschung, strategische Massnahmen oder Fragen der Nachhaltigkeit – wirkt eine Zielorientierung in dieser Ausprägung jedoch oftmals kontraproduktiv: Sie beschränkt wesentlich mögliche Erfahrungen und Erkenntnisse, welche sich aus einer freieren, das heißt multiperspektivischen und multidisziplinären Herangehensweise ergeben können. So kann man aus dem im Unternehmen ritualisierten Umgang in solchen Fällen ausbrechen um an einem erweiterten Lösungshorizont zu arbeiten indem man beispielsweise unterscheidet zwischen dem formulierten, das heißt offiziellen Problem, der individuellen beziehungsweise subjektiven Perspektive, soziodynamische Implikationen zwischen den Beteiligten, eine informierte und uninformierte Wahrnehmung einbezieht und Wirkungen nach Innen und Aussen (Bedeutungen) und die Betrachtung unterschiedlicher Zeithorizonte berücksichtigt – um nur einige zu nennen[17] – welche Priorisierungen und Lösungsansätze und mitunter die ursprüngliche Zielsetzung wesentlich beeinflussen.</p>
<p>Das heisst: <u>Eine frühe Zielorientierung stellt eine auferlegte Selbstbeschränkung dar, welche Ergebnisse in bestehenden Denkmustern provoziert und einschränkende Gewohnheiten in Prozessen und Hierarchien fortschreibt</u>[18].</p>
<p>Dies ist umsomehr der Fall, wenn es über die eingangs genannten unternehmensalltagsnahen Prozesse hinaus um kulturelle und gesellschaftliche Fragen geht, also um Themen, welche eine höhere Komplexität der Interaktionen und eine Sicht über die aktuellen Grenzen des Unternehmens hinaus bedingen. Denn <u>prinzipiell wirkt jede Entscheidung (gleich ob als Unternehmen oder als Person) auf den gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zurück</u>. Lässt sich dies bei Alltagsfragen (scheinbar) geringer Komplexität meist noch (interim) ignorieren, bleibt die Summe einzelner Entscheidungen dennoch wirkmächtig und kann zu überraschenden Wechselwirkungen führen, wenn man nicht kulturelle und gesellschaftliche Implikationen bei der Entscheidungsfindung mitberücksichtigt.</p>
<h4>2.2 Multiperspektivität und Grundlagenforschung</h4>
<p>In Kunst- und Kulturprojekten gilt es also insbesondere den Erwartungshorizont möglicher Ergebnisse und Erkenntnisse weiter zu öffnen, verfolgt man nicht triviale Absichten, wie spezifische Marketingmassnahmen, Mitarbeiter-Motivationstrainings, Verschönerungsmaßnahmen, persönliche Selbstbestätigung oder soziale Abgrenzung. Da es sich bei der Interaktion zwischen Kunst, Wirtschaft und den Wissenschaften um Systeme mit kategorialen Unterschieden handelt[19], haben Fragen und Themen auch das Potential weitreichender und grundsätzlicher zu sein, eine multiperspektivische Sichtweise und den Umgang mit Komplexität einzuführen und die Auseinandersetzung mit Sinn- und Bedeutungsfragen sowohl des Individuums, als auch der Organisation anzubieten. </p>
<p><u>Der erfolgreiche Umgang mit Kunst ist also eher vergleichbar mit einer Grundlagenforschung, als mit einer Produktentwicklung</u>; das bedeutet, dass der direkte oder geplante Nutzen[20] zugunsten des indirekten oder prozessualen Nutzens[21] zurücktritt. Dabei bezieht der Kunstprozess das Umfeld in die Bearbeitung mit ein (Rekursion) – das heisst das Unternehmen selbst wird Gegenstand einer teilnehmenden Betrachtung (Untersuchung). </p>
<p>Wer also Kunst und kulturelle Projekte zur Ornamentierung, Illustration[22] oder als sozialen Marker – also in spezifischer Zielorientierung – einsetzt, nutzt nicht das tatsächliche Potential der bewussten kulturellen Auseinandersetzung und künstlerischer, ästhetischer Fähigkeiten und Prozesse. <u>Erst der Ausbruch aus den gewohnten Problem-Lösung-Mustern und selbstbeschränkenden Prozessstrategien und ein exploratives Handeln ermöglicht den ungeplanten und unerwarteten Erkenntnisgewinn als persönliches und institutionelles Erleben und Horizonterweiterung</u>.</p>
<h4>2.3 Wissenschaften und transdisziplinäre Forschung und Lehre</h4>
<p>Eine besondere Rolle nehmen ästhetische und kulturelle Kriterien in der Lehre ein, denn der Prozess des Lernens ist intrinsisch wahrnehmungsbasierend; <u>Lehre ist – als (an-)geleitetes Lernen – dessen Verdichtung und Abwägung zwischen Primär- und Sekundärerfahrungen, das heisst zwischen Erlebtem und Vermitteltem</u>. So stellen sich im Bildungssektor und in den Wissenschaften Fragen, zusätzlich zu denen als Organisationen an sich, der Neubewertung ästhetischer Kriterien in Prozessen des Begreifens und Verstehens[23] im Hinblick auf Kultur und Gesellschaft – wie man unter anderem an den aktuelleren Forschungen und Debatten über online/distance-Learning und MOOCs und den damit verbundenen Überlegungen zur Präsenzlehre[24], aber auch in der Aufwertung von Querschnittsdisziplinen/Kompetenzen und der Organisation von Think-Tanks erkennen kann. </p>
<p>Abstraktions- und Assoziationsfähigkeiten sind als Schlüsselqualifikationen erkannt, Lateral Thinking und Generalisten werden als notwendige Ergänzungen zu spezialisiertem Fachwissen für funktionierende Kommunikations- und Interaktionsstrukturen verstanden. </p>
<p>In diesem Feld des transdisziplinären, das heisst, des fachdisziplinenübergreifenden, Forschens und Lehrens, stellen kulturelle Pespektiven und künstlerisch-ästhetische Fähigkeiten ein Potential der Reflexion und der Öffnung von Handlungshorizonten dar. <u>Dabei steuert Kunst – um wirklich von Bedeutung zu sein – einen wesentlichen, transformativen Prozess bei und nicht einfach einen darstellenden</u>[25]. Beispiele hierzu sind die Einbeziehung künstlerischer Elemente in, eigentlich, fachfremde Grund- und Aufbaustudiengänge, ästhetische Prozessbegleitungen und Verbindungen zu Qualitative Research, Action Research und Künstlerischer Forschung[26]. Insbesondere die wissenschaftliche Forschung kann von der kritischen Integration der Künste, durch kompetente Künstlerinnen und Künstler, profitieren, indem mit Hilfe dieser beispielsweise dem fachspezifischen, utilitaristischen Blick auf Details eine mit unter subjektivierte Wahrnehmung der kulturellen Relevanz eingeführt wird.</p>
<h3>3. Das grösste Risiko geht ein, wer versucht Risiken zu vermeiden</h3>
<h4>3.1 Wahrnehmen und Werten</h4>
<p>Wie bei allen Unternehmungen stellt sich auch beim Umgang mit Kunst die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Beschäftigung mit dieser und einer Bewertbarkeit des Nutzens. Diese Fragen sind berechtigt – und eigentlich auch recht einfach beantwortbar. </p>
<p>Hierzu gilt, dass die einer Bewertung zugrundeliegenden Kriterien über deren Ergebnis entscheiden – eine eigentlich triviale Feststellung und dennoch einer der häufigsten Denkfehler sowohl auf Seiten der Unternehmen, als auch der Kulturschaffenden, und damit Auslöser vieler Missverständnisse und Kommunikationsprobleme. </p>
<p>Also ist entscheidend, dass man sich über den Betrachtungszeitraum, quantitative und qualitative Aspekte, personenbezogene und institutionelle Sichtweisen und Erwartungen, Wirkungshorizont, soziodynamische, sowie inkludierende, exkludierende und (nicht zuletzt) unbestimmte Faktoren[27] klar wird, um eine sinnvolle Bewertung zu ermöglichen. Das heißt, dass <u>nur die Betrachtung aus den Perspektiven aller beteiligten gesellschaftlichen Subsysteme eine adäquate Wahrnehmung (Wertung) und Erkenntnis (Verstehen) ermöglicht</u> – diese, mit der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung entstandene, Multiperspektivität ist ein wesentliches Handlungsfeld einer systemischen künstlerischen Arbeitsweise und für eine werthafte (kritische) Einbeziehung der Künste in unterschiedliche Lebensbereiche unumgänglich. </p>
<h4>3.2 Scheitern durch falsche Kriterien</h4>
<p>Einige einfache Beispiele wie es nicht geht[28]: Die aktive Auseinandersetzung mit Kunst als Element gesellschaftsorientiertem kulturellem Handeln, schlägt sich nicht einfach positiv betriebswirtschaftlich nieder, denn nicht nur erfasst die klassische betriebswirtschaftliche Abrechnung keine Kriterien der ästhetischen Erkenntnisarbeit[29], sie überschaut auch einen viel zu kurzen Zeitraum um Wirkungen sichtbar zu machen. </p>
<p>Würde man die Zielsetzung eines Kulturprojektes auf die Evaluation durch ein klassisches Controlling anpassen, endete man beispielsweise mit einer profanen Marketingmassnahme, welche kurzzeitig erhöhte Ausgaben in diesem Bereich möglicherweise höheren Verkaufszahlen gegenüberstellte. </p>
<p>Lüde eine wissenschaftliche Forschungsgruppe Künstlerinnen und Künstler ein, die Forschungsergebnisse in Bilder umzusetzen und in einer Publikation darstellbar zu machen, oder in einer Kunstausstellung das Interesse eines breiteren Publikums zu wecken, wäre das im Hinblick auf eine illustrative Qualität möglicherweise interessant, jedoch wird durch die Hierarchie zwischen Inhalt und Darstellung Kunst auf ein Medium reduziert[30].</p>
<p>Suchte ein Unternehmen, welches mit spezifischen Materialien oder Halbzeugen arbeitet, einen Künstler/eine Künstlerin die Werke aus den gleichen Materialien anfertigen oder deren Halbzeuge verwenden, um eine Verbindung zum Unternehmensinhalt herzustellen, würde durch diese simplifizierte Auswahl über ein recht unwichtiges Kriterium wie das des Mediums für das Umfeld des Unternehmens eventuell viel wichtigere Fragen der kulturellen Beschäftigung vernachlässigt, ein bereits dominierendes Element im Unternehmensalltag würde nochmals verstärkt und eine Fixierung auf ein Medium fände statt, anstatt einer Öffnung der Wahrnehmung auf Anderes und Neues und der Frage nach Bedeutungen.</p>
<p>Eine subjektive, persönlich wichtige Erfahrung eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin des Unternehmens durch die Teilhabe an einem Kulturprojekt hat unter Umständen keinen direkten Bezug zu dessen/deren Einstellung und Verhalten am Arbeitsplatz, möglicherweise aber im privaten Umgang. Der Einfluss ist nicht durch eine Evaluation oder im Mitarbeitergespräch erfahrbar, könnte aber über den Umweg des persönlichen Umfeldes auf das Gesellschaftsgefüge in Stadt und Region wirken. Ginge man von der irrigen Annahme aus, dass eine Veränderung direkt, am Arbeitsplatz und möglicherweise sogar kurzfristig erkennbar sein muss, käme man hier zu einem enttäuschenden[31] Ergebnis. </p>
<p>In der Tat liegt eine der Besonderheiten im Umgang mit Kunst darin, dass er ein individueller und damit nur bedingt steuerbarer ist, der seine Wirkung über einen längeren Zeitraum entfaltet und so nicht einfach im Sinne und gemäss den Anforderungen einer Gemeinschaft oder Vorgaben einer Institution erfolgt[32]. </p>
<p>Das heisst, <u>der Versuch einer Instrumentalisierung von Kunst verhindert eben die Nutzung ihrer intrinsischen Eigenschaften</u>. Der Einsatz von Kulturprojekten um Angestellte zu besseren Mitarbeitern[33] zu machen wäre nichts anderes als eine Erziehungsmaßnahme und Kunst als bildgebendes Medium zur Vermittlung fremder Inhalte einzusetzen Propaganda[34]; beides widerspräche der Fähigkeit ästhetischen Arbeitens zu Multiperspektivität und Komplexität in Sinn- und Bedeutungsfragen.</p>
<h4>3.3 Verantwortung übernehmen</h4>
<p>Es ist eine wesentliche Eigenschaft gesellschaftlicher kultureller Prozesse, dass sich deren Wirkungen erst mittel- oder langfristig als grundlegende Veränderung bemerkbar machen, obgleich Spuren ihrer Einflüsse oftmals bereits unmittelbar zu erkennen sind. Das heisst, um beispielhaft im CCR und CSR gerne genutzte Schlagworte zu verwenden, der Standortfaktor einer Region in 5-15 Jahren, wird durch das Handeln heute bestimmt, und der veränderte Umgang mit Theater und Literatur, die Neubewertung von Privatem und Öffentlichem und die Verschiebung der Gewichtung von vermitteltem und direktem Erfahren wirken sich direkt auf die Soft-Skills der künftigen Generation aus. </p>
<p>Wenn also Unternehmen fallweise einen längeren Betrachtungszeitraum und erweiterte Kriterien annehmen, um eine Bewertung der Sinnhaftigkeit vornehmen zu können, bedeutet dies, dass sie sich von kurzfristigen Zielsetzungen eines Return-On-Investments zu Gunsten des Verständnisses, Teil eines gesellschaftlichen Gesamtgefüges zu sein, verabschieden und mit ihrem kulturellen Engagement tatsächliche Verantwortung übernehmen[35]. Die Entscheidung hierzu – als Unternehmen die Perspektive eines zoon politikon einzunehmen – ist der erste Schritt aus der Falle eines reduktionistisch-kapitalistischen Denkens und utilitaristischen Handelns.</p>
<h4>3.4 Erfolgreiches Experimentieren im Jetzt</h4>
<p>Selbstverständlich sind aber Wirkungen und Erkenntnisse erfolgreichen, kulturellen Engagements direkt erlebbar – denn (multisensuelle) unmittelbare Erlebbarkeit ist eines der Wesensmerkmale ästhetischer[36] Prozesse.</p>
<p>Entscheidend dabei ist, dass im Interagieren mit Kunst auch deren Prämissen einbezogen werden und so ein Diskurs zwischen den Bezugssystemen Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft entsteht. Dieser Vorgang hat Eigenschaften eines Explorierens und Experimentierens – in der Offenheit des Ausgangs, der inkrementellen Erkenntnisarbeit, der prozesshaften Logik, der Rekursion auf Bestehendes, der Abwägung zwischen Planung und Intuition, der argumentativen Kommunikation, der Transformationen zwischen Subjektivität und Objektivierung und der kritischen Reflexion und trägt die Möglichkeit der Krise, jedoch als willkommene Transparenz der Kommunikation und die Möglichkeit des Scheiterns, jedoch als Klarheit der Erkenntnis verstanden, in sich. Dabei finden simultane Prozesse und deren Interdependenzen, die Relationierung zwischen Wertesystemen im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung, und eine Auseinandersetzung zwischen Eindeutigkeit und Komplexität Betrachtung[37].</p>
<p><u>Erst durch das Eingehen dieser Risiken – der Undeterminiertheit des Ausgangs, der Relativierung der Rituale und Regeln[38] des gewohnten Umfeldes und der Offenheit, unerwartetes und ungeplantes[39] als Erfolg zu definieren – werden die Bedingungen zur ästhetischen Erkenntnis und der kulturellen Entdeckung geschaffen</u>.</p>
<h3>4. Kultur ist der Umgang mit Komplexität ohne umfassende Antwort</h3>
<blockquote>
<p>"Die Wirklichkeit ist in Wahrheit eine Wirklichkeit."[40]</p>
</blockquote>
<h4>4.1 Prozessuale künstlerische Tätigkeit</h4>
<p>Kunst hat also gesellschaftlich gesehen eine wesentliche Relevanz: Sie ist ein Mittel um kulturellen Fragestellungen nach Zusammenhängen, Wahrnehmungen von Wirklichkeiten und Bedeutungen (Kritik und Wertebildung) in ästhetischer Weise nachzugehen. Sie ist eine multivalente Kommunikation (Kommunikationssystem), die sich durch eine variierende Kontextualisierung einer spezifischen Übersetzung (Interpretation) entzieht und dadurch eine Resource zur Reflexion – im persönlichen durch den Betrachter und als System in der Gesellschaft – bildet.</p>
<p>Damit geht einher, dass – im Hinblick auf die voranschreitende Differenzierung des Kunstsystems (Horizontale Differenzierung) – nicht (mehr) die Produktion von Objekten und insbesondere deren Präsentation im – als solchen ausgewiesenen – Kunstkontext, sondern vielmehr die Gestaltung von Prozessen als Beeinflussung von Entwicklungen und die Integration verschiedener Disziplinen im Vordergrund stehen; der Künstler und die Künstlerin ist nicht mehr als Experte für Gestaltungsfragen, sondern als Experte für Wahrnehmungsfragen und deren Relationierungen gefordert. Das bedeutet, dass wahrnehmungsbezogene (ästhetische) Kompetenzen und deren künstlerische Anwendung in gesellschaftlichen Kontexten (Relationierung) eine wesentliche Fähigkeit darstellen und das Medium beziehungsweise der Medienkanon zweitrangig ist[41].</p>
<h4>4.2 Unternehmen und Unterdenken[42]</h4>
<p>Um einige Beispiele zu nennen, welche sich spezifisch mit Fragestellungen aus der Situation (Milieu), dem Ort und externer Elemente ergeben und sowohl individuelle künstlerische Positionen repräsentieren als auch andere Fachbereiche beziehungsweise einen erweiterten Kontext einbeziehen[43]: </p>
<p>Ein Präsentations- und Ausstellungsraum eines Unternehmens wird umgenutzt um Fragestellungen zu dessen Bedeutung der Repräsentation, Hierarchien der Resourcenverteilung im Konzern und der Einbeziehung beziehungsweise Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Nutzung zu untersuchen.</p>
<p>Eine Unternehmenspublikation beschäftigt sich, anstatt mit der Darstellung des bereits Erreichten und unternehmerischer Erfolge, mit der Öffnung des Diskurses zur Bedeutung gesellschaftlicher Teilhabe und Nachhaltigkeit, dem Versuch einer kontextualisierten Bewertung des eigenen Handelns und der Einbeziehung abweichender Positionen. </p>
<p>Die Kommunikation zwischen Abteilungen einer Organisation ist Basis der Zuspitzung (Transparenz) und Politisierung der vorhandenen Prozesse und des verwendeten Vokabulars, sowie der Erfahrbarmachung in der künstlerischen Bearbeitung.</p>
<p>Räumliche Umbauten und die Installation eines neuen Bodens wird zur Hervorhebung von Einbeziehungen und Abgrenzungen, sowie der Verdeutlichung möglicher Veränderungen genutzt. Die Darstellung unterscheidet dabei zwischen subjektiver Wahrnehmung und empirischen Daten.</p>
<p>Ein Orientierungssystem in den Gebäuden einer Forschungseinrichtung stellt Fragen der Bildfindung und -verwendung und setzt der Zielgerichtetheit des Erledigens das inspirierende Umherschweifen und kritische Aufzeigen entgegen.</p>
<p>Hierbei handelt es sich um Projekte mit unterschiedlichen Formen der Partizipation[44] und prozessual angelegten Entscheidungen zu Ort, Medien, Zeitraum und Wirkungen. Als künstlerische Interventionen, als auch (semi-)permanente Installationen und performative Elemente mit unterschiedlichen Beteiligten, ermöglichen sie Fragen des Handelns und der Haltung (individuell, institutionell, gesellschaftlich)[45] zu stellen, beziehungsweise infragezustellen (Problem oder Krise)[46] und als Momente der Klarheit (Einsicht)[47] zu Erkenntnissen (und somit impliziten Forderungen[48]) zu führen. Dabei ist es aber nicht Aufgabe von Kunst, in erster Linie Ergebnisse im Sinne von Lösungen zu erarbeiten oder Unversöhnliches miteinander zu versöhnen, <u>sondern zur kritischen Wahrnehmung und Kontextualisierung gleichzeitiger Gültigkeiten beizutragen – diese verändern oder bestimmen Ergebnisse mit</u>.</p>
<h4>4.3 Kunst ist Reflexion von Gesellschaft</h4>
<p>Im Unterschied zu Beratungsprojekten und persönlichen Coachings (diese sind, anders als Kunst, schon aufgrund ihrer standesethischen Regeln auf das Wohlergehen des Klienten und die Unversehrtheit der Person festgelegt) oder gesteuerten Kreativitätsprozessen, wie beispielsweise des Design Thinking, ist Kunst, und – als conditio sine qua non – als systemische künstlerische Arbeit und Kritische Ästhetik (und, in spezifischer Weise, Künstlerische Forschung), nicht auf die Lösungsfindung im Rahmen einer Aufgaben- oder Problemstellung und nicht auf den Auftraggeber und dessen Handlungsspielraum fokussiert, sondern agiert mit einer selbstbeanspruchten Freiheit von diesen Einschränkungen und bezieht die Situation vor Ort und das eigene Agieren in dieser in die Reflexion mit ein. Dies bedeutet auch, dass dem künstlerischen Handeln in diesem Kontext eine Notwendigkeit der kritischen Haltung und Widerständigkeit innewohnt indem es Prämissen (Wertekanon) und Rituale unterschiedlicher gesellschaftlicher Subsysteme assoziiert und damit kulturell kontextualisiert. In der Relativierung von moralischen und ethischen Imperativen und im bewußten Ritual- (Regel) und Gesetzesübertritt durch Kunst ist eine Infragestellung des status quo der Grenzziehungen (Tabus) initiierbar und in der künstlerischen (zusammen mit anderen Disziplinen) Prozesseinwirkung reflektierbar und veränderbar. <u>Wer Kunst unter die Prämisse eines Handelns innerhalb geltender ethischer und moralischer Standarts stellt, nimmt ihr die Möglichkeit des Verweisens auf das Andere (Sicht auf persönliche Freiheit) und damit ihren Nutzen als (schonungslose) Erkenntnisquelle und transformative Kraft</u>. Der Künstler und die Künstlerin als handelnde Personen sind jedoch – gleich aller anderen Akteure – dem geltenden ethischen und moralischen Wertekanon verpflichtet (Unterscheidung zwischen Werk und Person)[49].</p>
<p><u>Kunst beziehungsweise eine kritische Ästhetik stellt somit einen Prozess der kritischen Relationierung durch eine gleichzeitige Gültigkeit von Werten und (gesellschaftlichen) Systemen dar; man könnte auch, etwas poetischer formuliert, sagen, dass sie zu Fragen als Antworten auf Fragen animiert</u>.</p>
<h3>5. Fazit</h3>
<h4>5.1 Erweiterte Erkenntnisfähigkeit durch kulturelle Kontextualisierung</h4>
<p>Vereinfacht kann man sich ein Unternehmen als Mikrogesellschaft vorstellen – eine Organisation (ein System), die in wesentlichen Elementen selbstreferentiell Kontingenz erzeugt, das heißt, sich als strukturiert (effizient), kompatibel (interaktionsfähig) und notwendig (effektiv), und damit gesellschaftlich kongruent erachtet. Wie in der Gesellschaft als Ganzes, sind wesentliche Handlungen ritualisiert und Kriterien der Wahrnehmung und Wertung kollektiviert.</p>
<p>Da die meisten Unternehmen existentiell obsoletes leisten (Bedürfnisorientierung), benötigen sie eine hohe Erkenntnis- und Kommunikationsfähigkeit. Diese entsteht in der Bezugnahme der unternehmerischen Tätigkeit zu kulturellen Wertebildungsprozessen, gesellschaftlicher Kommunikation und Interaktion – bedarf also einer (bewussten) Kontextualisierung des Unternehmens mit Gesellschaft. Entscheidend dabei ist, dass <u>Reflexionsarbeit nur in der Unterscheidung von Kontexten stattfinden kann, also in der differenzierenden Bewertung von Beschreibungen (Konstruktionen) von Wirklichkeit</u>. </p>
<p>Trotz dieser Erkenntnis setzen Innovationsprozesse und wertebasierte Fragestellungen in Unternehmen häufig erst innerhalb der Hierarchien und Organisationsstrukturen des Unternehmens an – tatsächlich sind Werte soziale Konstruktionen, gleich ob in einer Gesellschaft als Ganzes oder im Subsystem Unternehmen; können also nicht unter Ausschluss von kulturellen Kategorien schlüssig thematisiert werden.</p>
<p>Systemisches künstlerisches Arbeiten beziehungsweise Kritische Ästhetik können in Unternehmen und Organisationen zur ästhetisch-reflexiven Erzeugung und Vermittlung von Erkenntnissen und Bedeutungen beitragen. Kunst wirkt dabei, anders als Erklärungsmodelle und Formalisierungen aus Wirtschaft und Wissenschaft, nicht vereinfachend (definitorisch) und damit einschränkend in Wahrnehmung und Reflexion, sondern ermöglicht einen indirekten Eindruck von Komplexität[50].</p>
<p>Cambridge/USA, August 2014</p>
<p>[1] Dies ist, ausgehend vom griechischen krínein, als "reflektierte Unterscheidung" zu verstehen, nicht als eine, im Alltagsgebrauch häufig verstandenen, "Beanstandung".</p>
<p>[2] Henry David Thoreau</p>
<p>[3] Interessant ist, dass diese so unterschiedlichen Verwendungen mindestens eine Gemeinsamkeit haben: den Ausdruck der Wertschätzung und eine Enthebung aus dem Profanen. Er dient also der qualitativen Bewertung in Diskursen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche.</p>
<p>[4] vgl. Luhmann, N. 1997</p>
<p>[5] vgl. Latour, B. 1998</p>
<p>[6] Dies könnte man als interessanten Ausgangspunkt für einen Diskurs der klandestinen oder gar subversiven Wirkung von Kunst nehmen.</p>
<p>[7] Der Mensch sieht und bewertet im Allgemeinen die Dinge um ihn herum auf der Basis dessen, was er bereits kennt, seine Annahmen bestätigt und die Zugehörigkeit zu seiner Peer Group (der gesellschaftlich Ihresgleichen) stärkt.</p>
<p>[8] Dies sollte man nicht als Enstehung der Kunst "im Auge des Betrachters" missverstehen, sondern als die normative Kraft der Masse. Dabei formt Sprache die Wahrnehmung und vice versa.</p>
<p>[9] Wie es beispielsweise die Empirischen Kulturwissenschaften vertreten und hierzu, der Unterscheidung halber, dann von "Kultur mit kleinem K" sprechen.</p>
<p>[10] Das heißt: Gemeinschaft entsteht erst durch Kultur.</p>
<p>[11] Denn das sind Kunstwerke, als beispielhafte Repräsentationen von Kunst. vgl. auch Eco, U. 1972</p>
<p>[12] Wenn beispielsweise ein am World Economic Forum teilnehmender Investmentbanker sagt "Wenn du vier gute Freunde hast und magst was du tust, spielt es keine Rolle wo du lebst." zeigt dies vor allem sein neoliberal verkürztes Verständnis von Gemeinschaft und Kultur, obgleich er selbst von intakten Gesellschaften mit kollektivem Gedächtnis und Traditionen, als auch Rechts- und Bildungssystem in seiner Identitätsfindung geprägt wurde und davon profitiert hat. Wenn sich jeder nur auf seinen Freundeskreis beziehen und keine dauerhafte Verantwortung für sein Lebensumfeld eingehen würde und bereits mit dem persönlichen, momentanen geschäftlichen Erfolg zufrieden wäre, gäbe es keine moderne, arbeitsteilige, innovative, risikonivellierende Gesellschaft als kulturelle Gemeinschaft, sondern bestenfalls Stammesstrukturen mit wechselnden Loyalitäten.</p>
<p>[13] Dies ist nicht als ein Vergleich oder eine Wertung von unterschiedlichen Kulturen misszuverstehen, sondern als ein Hinweis darauf, welche Auswirkungen der Verlust von normativen Sicherheiten haben kann.</p>
<p>[14] Auch Kunstbetrachter sind Akteure.</p>
<p>[15] Solche Aussagen hört man immer wieder, sowohl von Künstlern, als auch von Kulturmanagern, Kunstkritkern und Konsumenten. Sie sind Ausdruck eines eskapistischen Wunsches und basieren auf einem simplifizierten Kunstverständnis, welches eigentlich erst mit der klassischen Kunstgeschichtsschreibung, die die Künstler unter anderem als weltabgewandte Genies darstellte und sozialwissenschaftliche und philosophische Erkenntnisse ignoriert, entstanden ist und heutzutage, oftmals für die Belange des Kunstmarktes und dessen Hierarchien, fortgeführt wird.</p>
<p>[16] Beispielsweise Sport, Wissenschaft, Politik.</p>
<p>[17] Zugunsten der Lesbarkeit verzichte ich hier auf eine umfangreiche Systematisierung von Einflußfaktoren.</p>
<p>[18] vgl. Canetti, E. 1960</p>
<p>[19] vgl. Luhman, N. 1994</p>
<p>[20] Mit dem man sich oftmals lieber beschäftigt, weil er eher begreifbar ist, aber sich dadurch von Wesentlichem ablenken läßt.</p>
<p>[21] Ich spreche hier bewußt von einem Nutzen auch der Kunst - im Sinne ihrer gesellschaftlichen Funktionen.</p>
<p>[22] Gleichwohl können natürlich scheinbar nur ornamentierende künstlerische Arbeiten ebenfalls ein Wirkungspotential darüber hinaus mit sich führen. Eine wichtige Frage, die sich der Künstler und die Künstlerin stellen müssen, ist dabei, zu welchem Punkt im Rezeptions- und Wirkungsprozess sie (beziehungsweise ihr Werk) die Kontrolle an andere Subsysteme und deren Kriterien übergeben.</p>
<p>[23] Die Etymologie dieser Begriffe gibt einen klaren Hinweis auf den Prozess der Erkenntnis.</p>
<p>[24] Im Rahmen meiner Beschäftigung mit Instructional Design - als einer der jüngeren Disziplinen welche sich (idealerweise), über Ideen der (technischen) Gestaltung von Vermittlungsstrategien hinaus, mit Fragen der Lehre beschäftigt - an der Harvard University, konnte ich einige dieser Implikationen gut beobachten.</p>
<p>[25] Um dies zu ermöglichen, ist die richtige Auswahl der Beteiligten wichtig, aber vor allem auch eine adäquate Qualifikation der Künstlerinnen und Künstler - welche das Kunststudium leider nicht immer fördert.</p>
<p>[26] Vorgehensweisen und Module, die ich in Kooperationen mit Forschungsprojekten und der Lehrtätigkeit an Hochschulen verschiedener Fachbereiche entwickelt und praktiziert habe, zielen auf experimentelle Explorationen und die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Systeme und deren Kriterien - als kritischen Umgang mit Komplexität.</p>
<p>[27] vgl. Wittgenstein, L. 1963</p>
<p>[28] Auch wenn sie etwas stereotyp klingen mögen: Diese und andere Geschichten haben mir über die Jahre meiner Tätigkeit enttäuschte Unternehmen und Kulturschaffende in verschiedenen Variationen immer wieder erzählt.</p>
<p>[29] Gleiches gilt für den Ansatz der Triple-Bottom-Line.</p>
<p>[30] Oft übernehmen leider Künstler wissenschaftliche Zitate zur rationalen Unterfütterung ihrer Arbeiten oder missverstehen die dargestellte Form der Kooperation als Künstlerische Forschung. Richtig ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche Know-How mit ästhetischen Fähigkeiten des Know-What und Know-Why verbindet.</p>
<p>[31] Möglicherweise - und das wäre eine tatsächliche Erkenntnis - auch im Sinne der Aufhebung einer Selbsttäuschung.</p>
<p>[32] Dies könnte man als eine der Freiheiten der Kunst verstehen.</p>
<p>[33] Bspw. motivierteren, oder sich stärker mit dem Unternehmen identifizierenden.</p>
<p>[34] vgl. Agamben, G. 2004</p>
<p>[35] Gleiches gilt aber auch für Künstlerinnen und Künstler, denn diese übernehmen nicht qua ihres Berufes gesellschaftliche Verantwortung, sondern durch ihr Handeln.</p>
<p>[36] Der Begriff der Ästhetik bezeichnet genau dies - Wahrnehmung als multisensuelles Erleben und Agieren.</p>
<p>[37] Dies bedeutet einen bewußten Umgang mit Wirtschaft und Wissenschaft und alles andere als ein "Ausliefern" der Kunst oder der Künstlerinnen und Künstler an diese. Man erlebt es jedoch immer wieder in den Künsten und in der Kunstkritik, im Sinne eines pseudoradikalen Verständnisses von Kunst, dass man Künstlerinnen und Künstler die in prozessualer Form arbeiten der Häresie beschuldigt, aber solchen die beispielsweise im Empfangsraum eines Unternehmens ausstellen oder deren Arbeiten an dieses verkaufen ohne Fragen zu stellen, Unabhängigkeit attestiert. Hinter diesen Beurteilungen verbergen sich unter Umständen handfeste politische Interessen, denn oftmals bilden Kuratoren und Kritiker eine mächtige Schnittstelle zwischen den künstlerisch Tätigen und relevanten Multiplikatoren. vgl. auch Sloterdijk, P. 2000</p>
<p>[38] Das heißt die Geschlossenheit bzw. Autonomie.</p>
<p>[39] vgl. Rancière, J. 2005</p>
<p>[40] D. Granosalis. vgl. auch Watzlawick, P. 2002</p>
<p>[41] vgl. John, R. 2004</p>
<p>[42] Seit geraumer Zeit benutze ich dieses Begriffspaar unter anderem zur Erläuterung und Klärung von Kriterien der Kooperation mit Unternehmen und Institutionen. So lässt sich, ausgehend von der Etymologie des Begriffes "Unternehmen" Kritische Ästhetik als gestaltendes Denken und dessen Kontextualisierung verständlich machen.</p>
<p>[43] Ich erwähne hier kurz einige Beispiele ohne dabei auf Details einzugehen; eine umfassende Beschreibung der Prozesse, Überlegungen und Massnahmen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.</p>
<p>[44] Dabei werden allerdings Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu Amateurkünstlern - wie dies leider oftmals bei "Kunst im Unternehmen"-Projekten der Fall ist - oder als Erfüllungsgehilfen missbraucht, sondern mit ihren Wünschen, Fähigkeiten und Potentialen eingebunden.</p>
<p>[45] vgl. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W. 2002</p>
<p>[46] Es ist jedoch zu einfach, wenn man Kunst nur als Mittel für symbolische Regelbrüche als Protest oder zu simplen Provokationen gebraucht. Denn der Regelbruch ist erst einer der Auslöser der Reflexion und noch nicht die Reflexion selbst - und diese gilt es aus künstlerischer Sicht zu begleiten.</p>
<p>[47] Beispielsweise indem man der Frage des "Was tun" ein "Wie man es tut" zur Seite stellt.</p>
<p>[48] vgl. Kant, I. 2000</p>
<p>[49] vgl. John, R. 1999</p>
<p>[50] vgl. John, R. 2005</p>
<h3>Literatur:</h3>
<p>Agamben, Giorgio. 2004. Ausnahmezustand. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
Canetti, Elias. 1960. Masse und Macht. Frankfurt: Fischer.<br />
Eco, Umberto. 1972. Einführung in die Semiotik. München: Wilhelm Fink.<br />
Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W. 2002. Dialektik der Aufklärung. Frankfurt: Fischer.<br />
Kant, Immanuel. 2000. Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
John, Ruediger. 1999. Systemic Art as an Approach for the Aesthetic Worker. In: John, Ruediger (Hg.). Scrapbook 1995-1998. New York City: limited edition, [sic!].<br />
John, Ruediger. 2004. Objekt Subjekt Prädikat. Ein Exkurs über systemische Kunst und kritische Ästhetik. In: Kettel, Joachim (Hg.). Künstlerische Bildung nach Pisa - Neue Wege zwischen Kunst und Bildung. Museum für neue Kunst, Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und Landesakademie Schloß Rotenfels. Oberhausen: Athena-Verlag.<br />
John, Ruediger. 2005. Erweiterte Erkenntnisfähigkeit durch kulturelle Kontextualisierung. Der Künstler als Coach und Consultant in Unternehmen – Kriterien und Ansätze einer kritisch-ästhetischen Praxis. In: Mari Brellochs, Henrik Schrat (Hgg.). Raffinierter Überleben – Strategien in Kunst und Wirtschaft. Berlin: Kadmos Kulturverlag.<br />
Luhmann, Niklas. 1997. Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
Luhmann, Niklas. 1994. Die Ausdifferenzierung des Kunstsystems. Zürich: Benteli.<br />
Latour, Bruno. 1998. Wir sind nie modern gewesen. Frankfurt: Fischer.<br />
Rancière, Jacques. 2005. Das ästhetische Unbewußte, Zürich: Diaphanes.<br />
Sloterdijk, Peter. 2000. Die Verachtung der Massen. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
Watzlawick, Paul. 2002. Die erfundene Wirklichkeit. München: Piper.<br />
Wittgenstein, Ludwig. 1963. Tractatus logico-philosophicus. Frankfurt: Edition Suhrkamp</p>
<h3>Quellenangabe:</h3>
<p>John, Ruediger: "Praxis: Kritisches, ästhetisches Arbeiten im Kontext von Wirtschaft und Wissenschaft. Kunst als Intervention und Reflexion, Kritik und Politik in Unternehmen und Institutionen.", DOI 10.1007/978-3-662-47759-5_4 in: Steinkellner, Vera: "CSR und Kultur - Corporate Cultural Responsibility als Erfolgsfaktor in Ihrem Unternehmen", ISBN 978-3-662-47758-8, ISBN 978-3-662-47759-5, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2016,<br />
in der Reihe: Schmidpeter, René: "Management-Reihe Corporate Social Responsibility", ISSN 2197-4322, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2015</p>
<h3>Publikum:</h3>
<p>Verantwortungsträger und Entscheider in den Bereichen Corporate Governance, Corporate Cultural Responsibility (CCR), Corporate Social Responsibility (CSR), sowie Praktiker und Theoretiker in Kunst, Kunsttheorie, Kulturwissenschaften, Soziologie, Kulturelles Engagement, Kunstgeschichte<br />
Der Originaltext wurde für das Publikum dieser Publikation angepasst und gekürzt.</p>
<p><a href="kritische-aesthetik-wirtschaft-wissenschaft-ruediger-john.pdf">Praxis: Kritisches, ästhetisches Arbeiten im Kontext von Wirtschaft und Wissenschaft.</a></p>