Eine Akademie ist keine Akademie?
Iris Dressler und Hans Dieter Christ

Ein Reflex in V Akten - ohne lehrrreichen Ausgang

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II. Meister Diskurse

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Von Damien Hirst heißt es, er habe sich ein Jahr nach seiner Aufnahme in das Goldsmith College, »maßlos für die Kunst und das Leben« begeistert und »ein unwiderstehliches, geradezu sprühendes Selbstvertrauen« ausgestrahlt. Zu jenen Zeiten betrank man sich und sprach über »weiß der Himmel was«. Es gab »noch keinen klar umrissenen Plan. Nur jede Menge Idealismus, jugendlichen Optimismus und den unbändigen Wunsch, die ganze Welt zu übernehmen.« Daß sich dieser Wunsch jener Goldsmith-Generation etwa zehn Jahre später unter dem Label >YBA< verwirklicht hat, ist bekannt. Ob dies, wie Carl Freedman1 in seinem Katalogtext zur Ausstellung >Emotion< behauptet, tatsächlich als Erfolg der nun berühmten Kunstschule zu verbuchen ist, die damals ein »utopischer Ort«, eine geschlossene Welt mit allen Freiheiten gewesen sein soll, darf bezweifelt werden: Deutlich hat sich abgezeichnet, daß das Phänomen >YBA< aus dem Hause Saatchi heraus inszeniert und mittlerweile abgestoßen wurde, um den Erlös dieser >Aktion Sorgenkind< auf’s neue in den Nachwuchs zu reinvestieren. Goldsmith hin, Saatchi her: Der eigentliche Mythos, der sich um YBA herum manifestiert, ist das klassische Bild des lebenshungrigen Künstlerbohemiens und Akademienbzw. Kunstbetriebsrevoluzzer. Akademien sind in diesem Zusammenhang also möglicherweise genau deshalb fester Bestandteil des Kunstbetriebes, weil sie in besonderem Maße dem Status Quo verstaubter Kunstauffassungen verhaftet bleiben: Dem Akademismus. Die Innovation der Kunst beginnt dann folgerichtig mit dem Auszug einzelner Aufsässiger aus den Akademien - um zeitlich verschoben, als nachgerückte >Avantgarde<, hier wieder erledigt werden zu können, damit die kommenden Studenten erneut einen Grund zur Revolte haben. Das Problem der Akademien liegt demnach also nicht bei den Akademien selbst, sondern bei deren Schülern. Das Grundmuster ihres Erfolges lautet: Idealismus, Trinkfestigkeit, optimistische Jugendlichkeit und Aufbegehren einerseits, ein fester Blick für das Establishment - wer ist wer und wer davon ist wichtig - sowie ein gewisses Maß an Skrupellosigkeit andererseits: Denn wir haben es in der Kunst, wie jeder weiß, mit einem Betrieb zu tun, der knallhart dem Einzelkämpfertum verpflichtet ist. Und wer sich hier als mythischer Bohemien in die Kunstgeschichtsbücher eingeschrieben hat, war noch immer mit marktorientiertem Know-How bestens ausgestattet. Was aber ist dann eigentlich das Problem der Akademie? Daß sie nur 2% ihrer Azubis den Weg in die Professionalität weist? Und was wäre dann die Professionalität: Daß man von/mit seiner Kunst über/leben kann oder daß man ein Star wird? Ist aus jedem/jeder KunststudentIn nichts geworden, wenn er/sie nicht den Weg in die documenta und darüber hinaus geschafft hat? Oder leidet die Akademie selbstverliebt unter ihrem verstaubten Image, ähnlich wie das Museum? Die verschiedenen Institutionen des Kunstbetriebes scheinen zur Zeit alle nur das Eine zu wollen und zu sollen: Am Drive des Young und Cross, Hipp und Pop zu partizipieren, worüber ihr eigentlicher und keinesfalls unwichtiger Auftrag in den Hintergrund gedrängt wird.

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III. Der multiple Hero

Die Forderung, daß akademische Strukturen mit der Zeit gehen und sich für die Anliegen der jeweils jungen Künstlergeneration öffnen müssen, ist richtig und wichtig. Dies könnte dann zum Beispiel bedeuten, daß sie sich auf die verschobenen Definitionen von Künstler-SchülerInnen eine multiple Persönlichkeitsausbildung jenseits des Kunstexpertentums bietet, mit der Perspektive: Der moderne Künstler (schlägt sich) mal als Organisator, mal als Manager, Designer, Sozialarbeiter, Infotrainer, D.J. ... (durch). Das Grundmodell des aus dieser Akademie hervorgehenden, idealen Künstlers wäre dann ein gesamtgesellschaftlich und global einsetzbarer Universaldilletant mit Neigung zur Visualisierung. Letzteres möglicherweise als Restfragment seiner ursprünglichen Funktion. Am Ende seiner Ausbildung stünde auf dem Sockel der multiple Hero - ein kaleidoskopisch gebrochener Narziß. Nun ja: Daß künstlerische Tätigkeit grundsätzlich vieles sein kann und darf, kann kaum bestritten werden und für manche Künstler mag und wird es den Karrieresprung auch durch Plattenauflegen und Haare- Schneiden geben. Nur: Sind durch die katastrophale finanzielle Situation der meisten KünstlerInnen, diese nicht schon immer auf - meist schlecht bezahlte - Jobs angewiesen gewesen? Die künstlerische und soziale Nobilitierung dieser Nebenjobs als Teil des Identitäten einläßt und ihren

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