Funktionen Bildender Kunst Akademie Kolonie
Holger Kube Ventura

»Man muß erst einmal darüber reden, warum es überhaupt eine Kunstausbildung gibt. Man produziert Künstler, die Werke herstellen; und die gesellschaftliche Realität da draußen ist eine völlig andere. Vielleicht sollten wir alles erst einmal abschaffen, die Akademien, die Ausstellungen und so weiter. Warum das Schiff immer noch retten? Irgendwann kann man ja dann ganz von neuem anfangen.« Aber jenes Abschaffen, das Stephan Dillemuth hier einklagt, ist unvorstellbar, denn niemand will das wirklich, und außerdem - noch einmal Zitat Dillemuth - »Die vielen Sozialfälle kann man sich leisten, solange es ein paar Repräsentanten deutscher Kultur gibt.« Noch eines vorweg: Die Überschrift unseres Kolloquiums appelliert an eine allgemeine Vorstellung, vielleicht ein Klischee von Akademie, das immer noch durch gewisse Bilder abgerufen wird, wie z.B. dem des klassischen Aktmodellierens, das auch der Infofolder zeigt. Wir reden hier unverbindlich über alle Akademien und Kunsthochschulen, nicht über eine bestimmte in einem spezifischen Kontext mit konkreten Akteuren. Jede und Jeder denkt dabei erstens an sehr unterschiedliche Beispiele und zweitens an eine verallgemeinerte Bedeutung des Wortes »Akademie«. Gleichzeitig suggeriert die Überschrift in der Negation schon eine vage Stellungnahme: Es klingt irgendwie nach Reformen oder Protest und die unter diesem Slogan dann Sprechenden stehen für das irgendwie Progressive. Sei´s drum. Wenn die Akademie keine Akademie ist, was ist sie dann? Oder besser: Wozu dient sie und was soll aus ihren AbsolventInnen werden? Ausgangspunkt meines polemischen Kurzreferats ist das Erstaunen über die in unseren Kreisen notorische Akzeptanz der Tatsache, daß man mit 35 eigentlich immer noch ungelernt ist und mit 50 vielleicht immer noch wie ein Student lebt, sowie die Frage, was aus den Studentenzahlen der 90er später einmal geworden sein wird. Denn schon jetzt sind es viele ältere Lokalmatadoren und stoische Eigenbrödler, die ein eher trauriges Bild vermitteln: Wie wird man als >Diplom Künstler< damit fertig, etwas gelernt zu haben, wofür niemand Verwendung hat? In den Selbstdarstellungen von Kunsthochschulen und Akademien findet man ihre Angebotspaletten, sowie Statements über zu bevorzugende Angebotskombinationen und mögliche Studienwege etc., aber nie eine Aussage darüber, was denn die Funktion der Akademie wäre. Logischerweise. Denn sie würden ausgelacht werden, wenn im Programm z.B. das illusorische Ziel formuliert wäre, die AbsolventInnen zu BerufskünstlerInnen zu machen. Umwerfend realistisch dagegen wäre folgende Selbstdarstellung: »Ziel unserer Akademie ist es, die jährliche Zahl jener Absolventinnen, die irgendwann einmal von ihrer Kunst werden leben können, langfristig von 1 auf 2 % zu erhöhen.« Diese Schockzahl, die wir alle kennen, rührt allerdings direkt aus der Vorstellung, daß Berufskünstler nur wäre, wer seine Kunstwerke verkaufen kann. Andere Formen professionellen Künstlertums kommen in diesem Denken nicht vor und spielen daher auch bei der Gestaltung eines Studienangebots keine Rolle. Dass man eher ungern und wenn, dann immer sehr disparat über die Funktion von Kunst spricht, erscheint mir unvermeidlich und tendenziell gewinnbringend. Aber daß man sich aufgrund zementierter Künstlerbilder nicht wagt, die Funktionen von Akademien an- und auszusprechen, oder nur mit Achselzucken bedenkt, halte ich dagegen schlicht für verantwortungslos. Ich sehe drei Typen von denkbaren Funktionsbeschreibungen des Lebensabschnittspartners >Freie Kunst<: Typ 1 ist am gängigsten und geht ganz essentialistisch von der Kunst aus: Im Dienste der Kunst soll kompromißlos deren Ausdifferenzierung fortgeschrieben werden, möglichst ohne Rücksicht auf exmanente Dimensionen wie etwa Raum, Zeit, Geld usw. sowie die gesamten lebensweltlichen Kontexte der Produzenten.

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Typ 2 ist eher pragmatisch, und auf die Künstler konzentriert. Die Akademie versteht sich hier als Berufsausbildungsstätte und bemüht sich um eine künftige Chance ihrer AbsolventInnen im Kunstsystem. Dieses Bemühen ist allerdings meistens auf die Instrumente hierarchischer Distinktion reduziert, also z.B. die Verleihung des Prädikats >Meisterschüler< und ein bißchen Vitamin B. Die Chancen Einiger werden dabei allein dadurch verbessert, daß Vielen die Auspreisung eben verweigert wird - und auch werden muß, damit die Klinge scharf bleibt. Viele sind Exponierungsbrennstoff oder Umgebungsfutter für Wenige. Offensive, emanzipatorische Professionalisierungsangebote sind dagegen eher selten, viele Professoren können noch nicht einmal Auskunft darüber geben, wo und wie man sich auf Stipendien bewirbt, wie die KSK funktioniert, oder man an Galeristen herankommt. Aber wenn es die Funktion der Akademie ist, ihre AbsolventInnen in das Kunstsystem zu integrieren, dann dürfte sich ihr Engagement sowieso nicht allein auf die Option >KünstlerIn als originäre WerkproduzentIn< beschränken, denn dieses Segment ist viel zu winzig. Sie müßte vielmehr alle Dimensionen des Kunstsystems vorstellen, die später einmal eine Profession bieten könnten: Galeristen, Kuratoren, Kritiker, Berater, Institutions- und Technische Leiter, Ausstellungsführer usw. Die Behauptung, daß dadurch die Qualität der Kunst-Produktion an der Akademie gefährdet würde, halte ich für reaktionär, denn sie nimmt die 99% Umschulungen - sofern wir Uninformiertheit oder Insolvenz

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versteht sich die Akademie als eine Institution, die irgendwie meinungsbildende Gesellschaftsmitglieder produziert. Die Funktion liegt hier in einer adornitischen Funktionslosigkeit, die sich eine Gesellschaft halt einfach so leistet. Das Kunstsystem darf hier gerade nicht der Horizont sein, die Protagonisten haben keinerlei Verantwortung mehr, als die Pflicht zu nachhaltiger Freigeisterei. Ganz offensichtlich wird dabei eine neue Definition von >Kunst< und >Künstler< erforderlich: Es geht nun um die ästhetische Kommunikation flexibilisierter Subjekte, manchmal noch Kulturproduzenten.

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