Zu einer neuen Form von Akademismus
Jean-Baptiste Joly

Über die angebliche Freiheit der Kunst an den Akademien

[...]

ein neues Buch von Wolfgang Kermer, dem ehemaligen Rektor der Stuttgarter Akademie, mit dem Titel »1968 und Akademiereform, von den Studentenunruhen zur Neuorganisation der Stuttgarter Akademie in den er Jahren«, und ein Bericht über die Tätigkleit des Geschäftsführers der Freien Kunsthochschule Nürtingen, René Straub, der in dem eben erwähnten Buch auch vorkommt. Beide Dokumente haben meine Vorbereitungsarbeiten so sehr beeinflußt, daß ich mit dem einen anfangen, mit dem anderen dieses Referat schließen möchte. »Bis heute verfügt die Fachgruppe >Freie Kunst< als einziger Bereich über keine Prüfungs- und Studienordnung. Unter anderem hing der Verzicht damit zusammen, daß sich künstlerische Kriterien nur bedingt objektivieren, schon gar nicht in Studienordnungen schreiben lassen«. (W.Kermer, op.cit.). Auch wenn diese Position sich hier ausschließlich auf die Stuttgarter Akademie bezieht, wenn es auch Nuancen und Unterschiede unter den Akademien gibt, so scheint mir doch diese Position typisch zu sein für das Selbstverständnis westeuropäischer Akademien heute. Man könnte sich fragen, ob diese Sicht der Dinge heute noch immer tragbar ist; vor allem scheint mir berechtigt zu fragen, wie es dazu kam, daß eine Hochschule von sich aus auf den Kern ihrer Autorität verzichtet, auf eine Prüfungs- und Studienordnung. Europäische Akademien hatten seit dem 17. Jahrhundert die Aufgabe, Maler und Bildhauer durch die Vermittlung von Wissen auszubilden. Es ging primär um das Imitieren von Modellen, um das Bewahren einer Tradition und angehende Künstler wurden auch sehr genau darin geprüft, bevor sie in den Künstlerstand aufgenommen wurden. Diese Pflege der Tradition hat mit Sicherheit zu einer Immobilität in der Kunst geführt, denn es ging bei dieser Lehre viel mehr um das Bewahren einer Tradition, als um die Öffnung für andere, neue Richtungen der Kunst. Das Wort >Akademismus< zeugt mit Recht von dieser Immobilität, und ist seit dem 19. Jahrhundert zum Symbol des Konventionellen, des Versteiften in der Kunst geworden. Die ersten Künstler, die sich offen dagegen gewehrt haben, waren die Künstler der >Ecole de Barbizon< um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Rousseau, Millet, Diaz, Dupré, Daubigny, die heute als Wegbereiter des Impressionismus gesehen werden. Sie verließen das Atelier, den Ort der Akademie, und konfrontierten die Malerei mit der Wirklichkeit, mit der Natur, brachen mit der kanonischen Ordnung des Gemäldes. In der Kunst haben sie den Stein der Modernität ins Rollen gebracht und haben die Werte und Traditionen der Malerei umgewälzt. Für den modernen Künstler geht es nicht mehr darum, sich in die Tradition einzuschreiben und sie zu imitieren. »Die antirhetorische Definition der Kunst«, so der französische Kunstkritiker Jean-François Chevrier »die von der modernen Kunst gegeben wurde, besteht eben darin, daß jeder Künstler die Kunst neu entdeckt.« Von einem jungen Künstler, der diesen Beruf lernt, wird erwartet, er sei jederzeit in der Lage, eine ihm adäquate Definition der Kunst zu erfinden. Schon lange leben und arbeiten Künstler unter diesen Prämissen und die Institution, insbesondere die Akademie, gilt für die Öffentlichkeit als Garant dieser Absicht. Von der Institution, die ihn prägen und ausbilden soll, hört ein jeder Kunststudierende, es gebe keine Spielregeln, wie vorhin zitiert, »keine Prüfungs- und Studienordnung« außerhalb des Zwanges zu einer permanenten Erneuerung. Im Namen der Modernität und der Freiheit des Künstlers besteht die Aufgabe der Akademie darin, die tägliche Erfindung der Kunst zu lehren. Heute gibt es in der Kunstlehre keine Imitation mehr, kaum noch Vermittlung, sondern nur >Freiheit<. Und diese Freiheit kann nur schwer praktiziert werden, denn Kunststudierende arbeiten nach wie vor in dem institutionellen Rahmen einer Kunsthochschule.

[...]

Artist, Artistic Research, Critical Aesthetics, Systemic Art, Systems Art, Interventionistic Art, Intervention Art, Performance Art, artistic Intervention, Kuenstler, Kuenstlerische Forschung, Kritische Aesthetik, Systemische Kunst, Interventionistische Kunst, Performance Kunst Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft, kritische Ästhetik, künstlerische Kompetenz, Wirtschaftskultur durch Kunst, public understanding of science, Transferkunst, Transfer Art, third culture, new business ethics, modern economy, Wirtschaft und Ethik, Wissenschaft und Kunst, politics and aesthetics, Politik und Aesthetik