»Alte Säcke, Neue Säcke«
Stephan Dillemuth

ein Gespräch zwischen Stephan Dillemuth, Klaus Jung und Jörn Zehe

A) Jetzt sind wir also Professoren, nicht? Ich frage mich aber immer noch warum man diesen Job eigentlich macht, denn entweder ist man Idealist, Weltverbesserer oder man macht’s fürs Geld. Die Akademie ist dann also eine Heimstatt für Versager, die ängstlich an ihrem Job festhalten. So will ich einmal nicht enden.

B) Wenn die Akademie aber Positionen fördert die nicht vermarktbar sind, dann ist das doch in Ordnung.

DILLEMUTH: Haben Sie dazu etwas zu sagen?

ZEHE: Ich mach’s fürs Geld! Ich bin nämlich nicht in der Lage, meine künstlerische Position besonders gut vermarkten zu können. Aber das Gehalt ist nicht gerade so ausgelegt, daß ich daran ängstlich festhalten müßte. Zudem bin ich neu in dem Job. Statt auf LEHRerfahrungen Bezug zu nehmen, spräche ich hier lieber von meinen LERNerfahrungen, ich war ja einmal Kunststudent in Braunschweig...

DILLEMUTH: Hatten Sie dort ein entscheidendes Lernerlebnis?

ZEHE: Im Studium habe ich eine Form zu arbeiten erlernt: ohne die große künstlerische Geste an einer Sache festzuhalten und sich auf diese Weise Dinge zu erarbeiten , sie vor anderen bloßzulegen und zu vertreten. Ich erinnere mich auch an den großen Leistungsdruck. Schon in der Grundklasse waren Zuckerbrot und Peitsche der Treibstoff der Lernmaschinerie und das funktioniert natürlich nur deswegen so gut weil der Student die Anerkennung der einzigen Autorität sucht, mit der er konfrontiert ist, seinem Professor. Die feste Ordnung der Meisterklasse schiebt erst mal einige Fragen beiseite. Das kann anfangs sogar hilfreich sein, aber dann kriegt man das kalte Grausen, denn es funktioniert nur weil viel außen vor bleibt. Das zu erkennen ist vielleicht der entscheidende Lernprozess, danach ist dieses System nicht mehr interessant.

JUNG: Das Meisterklassenmodell kommt immer wieder zurück weil es ein so unheimlich bequemes Modell ist. Bequem für Studenten und für die Organisationsform einer Akademie und ganz besonders bequem für Lehrer und Professoren. Aber das kann heute für keine Schule mehr relevant sei, für keine... da, jetzt hab ich mich aufgeregt!

DILLEMUTH: Aber wie gelingt es eine größere Verbindlichkeit in der Auseinandersetzung zu schaffen ohne in den psychologischen Zwang der Meisterklasse zu verfallen oder in den normativen Zwang der Verschulung? In beiden Fällen gilt es Proben zu bestehen und Punkte zu sammeln. Beides will ich nicht. Die Ausbildung funktioniert zwar, im Sinne einer Maschine, aber raus kommt dabei nichts. Das klingt absurd... Wie also anders? Sucht man dann sein Heil in der Optimierung von Strukturen und bastelt wie an Software für kybernetische Modelle. Ihr Job da als Rektor...

JUNG: ...ich will so einfache Strukturen finden, daß Flexibilität darin möglich ist, daß eben jeder Teil der Hochschule sein Programm darin machen kann, mit der Voraussetzung, daß es koordiniert und abgestimmt wird. Das ist natürlich nicht so einfach und fällt meines Erachtens auf ein pädagogisches Problem zurück. Die Problematik liegt darin, daß Kunst einerseits eine sehr selbstverantwortliche Sache ist, das muß den Studenten einmal klar sein. Um sie damit aber nicht ganz allein stehen zu lassen, steht auf der anderen Seite eine Hilfe, die wir anbieten, oft ein Programm. Wenn Studenten nun dieses Programm nicht annehmen, dann könnte man natürlich eine Disziplinierungstruktur einbauen, es kann aber auch sein, daß das Programm nicht gut genug ist. Über all dem, ich müßte sagen, unter all dem schlummert noch das Problem, wie man Grundlagen dazu schaff t, also ein eventuelles Basisstudium. Aber das größte Problem, über allem, sag ich jetzt, heißt: Enthusiasmus dafür zu schaffen

[...]

DILLEMUTH: Wir brauchen uns nicht immer über die Verteufelung des Meisterklassenprinzips zu definieren, das will eh keiner mehr. Aber ich würde gerne damit konkurrieren und zeigen, daß es was besseres gibt... Brauchen wir dazu einen Lehrplan, oder Techniken die man lernen soll?

ZEHE: Die Frage ist doch erst mal, welche Verantwortung eine Institution übernehmen will, die hauptsächlich für einen grauen Markt ausbildet, denn die wenigsten werden ja finanziell erfolgreiche Künstler. Wichtig erscheint es mir, erst einmal einen Überblick zu vermitteln, bevor Spezialisten herangezogen werden... das bedeutet Fähigkeiten auszubilden, Techniken, den Umgang mit Maschinen, und auch ein gewisses Grundvokabular, z.B. in der Theorie an die Hand zu geben.

DILLEMUTH: Vielleicht sollten wir zum weiteren Verständnis im Text jetzt etwas vorziehen was Klaus Jung am Ende unseres Gesprächs noch einmal klar gemacht hat, nämlich Bergens Rolle innerhalb ‘Des Skandinavischen Modells’.

JUNG: Gut, also, zunächst einmal haben wir vor ein paar Jahren die fachspezifischen Kategorien aufgelöst. Es gibt jetzt weder Meisterklassen noch eine Abteilungseinteilung nach Medien: Malerei, Bildhauerei, Multimedia, Intermedia usw... das hatte doch nur zu Meisterklassen ähnlichen Strukturen geführt.

[...]

JUNG: Ja, ich war auch nie an so einer Reproduktionsmaschine interessiert. Für mich eröffnete die Akademie eben auch eine andere Möglichkeit, nämlich Kunst immer wieder von Neuem zu diskutieren. Daran ist der Markt zwar nicht so interessiert, aber die Kunstakademien sollten ein Platz sein wo Kunst nicht nur gelehrt wird, sondern wo Kunst unter ganz anderen Bedingungen stattfindet. Und an diesen Möglichkeiten bin ich sehr interessiert. Die Grundlage dafür wäre die ‘große Debatte’, das wäre die Basis für alles was hier passiert, d.h. daß man von Morgens bis Abends für das was man macht und denkt argumentiert und die besten Argumente sind dabei die Kunstwerke selbst. Wichtig ist, daß man diesen Ort nicht als das stille Kämmerchen für individualistische Selbstreflexion definiert, - das passiert sowieso -, sondern, daß man seine Individualität an dieser Akademie täglich testet indem man sie anderen im Gespräch vorstellt und entsprechend daran feilt. Die Institution wäre dann hoffentlich ein Ort an dem pausenlos über Kunst reflektiert wird und wo pausenlos aus dieser Reflexion Kunst gemacht wird.

[...]

ZEHE: Wenn ich dennoch ich dafür plädiere, ähnlich wie in der Universität, solche Forschungsprojekte mit einem Stab von Assistenten und Doktoranden anzugehen, Studienkolleg und Symposion an Stelle von Seminar und Korrektur zu etablieren, dann würde man den beteiligten Künstlern und Studenten schließlich doch eine ganz anders geartete und auch neue Ausbildung anbieten können. Da ist natürlich jetzt ein anderes Verständnis nötig, als das , was mit Wasserträgern und Mitmachpädagogik daherkommt. Und das beginnt dort, wo ich mein Forschungsvorhaben formuliere. Das könnte dann das Kriterium sein, das mich als Professor ausweist und nicht mein Alter oder meine Unfähigkeit die Erzeugnisse meiner Kunst zu Geld zu machen. Innerhalb eines solchen Forschungsprojektes sind ähnlich wie beim Filmemachen auf allen Ebenen Formen der Spezialisierung notwendig. Synergie verordnet Expertentum auf allen Ebenen.

[...]

Klaus Jung ist seit 1996 Rektor der Kunsthogskolen i Bergen
Stephan Dillemuth ist seit 1998 Professor für bildende Kunst, Kunsthogskolen i Bergen/Norwegen
Jörn Zehe hat ab 1999 eine Teilzeitprofessur in Bergen und in Hamburg

[...]

Artist, Artistic Research, Critical Aesthetics, Systemic Art, Systems Art, Interventionistic Art, Intervention Art, Performance Art, artistic Intervention, Kuenstler, Kuenstlerische Forschung, Kritische Aesthetik, Systemische Kunst, Interventionistische Kunst, Performance Kunst Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft, kritische Ästhetik, künstlerische Kompetenz, Wirtschaftskultur durch Kunst, public understanding of science, Transferkunst, Transfer Art, third culture, new business ethics, modern economy, Wirtschaft und Ethik, Wissenschaft und Kunst, politics and aesthetics, Politik und Aesthetik