»Meinen Arbeitsplatz gibt es noch nicht« von autonomer Kunst zur kulturellen Produktion
Ute Meta Bauer

Dem Selbstverständnis des Künstlers als individuellem Genius steht heute ein künstlerisches Selbstverständnis als ProduzentInnen von Kultur gegenüber. Dies erfordert neue und andere Ansätze künstlerischer Hochschulbildung, sofern man diese selbst überhaupt für notwendig erachtet. Das Programm am Institut für Gegenwartskunst, für das ich seit 1996 verantwortlich bin, konzentriert sich auf die Interaktion zwischen aktuellen künstlerischen Praktiken und Theorien sowie auf die soziale Funktion und kulturelle Relevanz gegenwärtiger Kunstproduktion. Ausgangspunkt ist ein Verständnis von Kunst als Denk- und Handlungsraum, der sich permanent verändert und dem wir uns über historische Referenzpunkte annähern. Am Institut geht es weniger darum, in traditionellem Sinne auszubilden, als gemeinsam mit den Studierenden ein Instrumentarium für von ihnen selbst zu bestimmende und zu definierende Arbeitsfelder zu erarbeiten, so daß sie in der Lage sind, eigenverantwortlich durch die komplexen Kartographien unserer Kultur und Gesellschaft zu navigieren. Insbesondere an deutschsprachigen künstlerischen Hochschulen steht ein überaltertes künstlerisches Berufsbild im Zentrum und nach wie vor wird großer Wert entweder auf die Vermittlung handwerklicher und künstlerischer Techniken gelegt oder es wird vom sog. >Meister< ein künstlerischer Habitus gepflegt, der den Studierenden als Vorbild dienen soll. Vom ersten bis zum letzten Studientag trägt ein einziger >Meisterschulleiter< die Hauptverantwortung für den von ihm ausgewählten, oder besser gesagt >erwählten< Studierenden, meist ohne die Frage nach der Funktion, die KünstlerInnen, Kunst und Kultur innerhalb der Gesellschaft zugeschrieben wird, einzubeziehen oder gar zu hinterfragen. Das Kunst- und Kulturverständnis an deutschsprachigen Akademien orientiert sich nach wie vor an einem Kunstbegriff des Originären und Einzigartigen; Kunst dient der Repräsentation und nicht der Reflexion von Gesellschaft. Dabei wird ausgeblendet, daß sich das kulturelle Feld als solches verändert hat bzw. sich im Umbruch befindet und daß in einem gänzlich mediatisierten Umfeld andere und neue komplexe Anforderungen an künstlerische Produktionen und damit auch an dessen ProduzentInnen, die KünstlerInnen, gestellt werden. Die bisherigen Bildungsinhalte, die an der Mehrzahl der Kunsthochschulen und Akademien vermittelt werden, werden diesem Umstand seit längerem nicht mehr gerecht. Interessant ist an dieser Stelle sicher die Anmerkung, daß es an einigen deutschen Kunsthochschulen so etwas wie ein >Curriculum< gar nicht erst gibt, denn die Kunst ist ja bekanntermaßen frei und somit des öfteren auch frei von bitter notwendigen Lehrinhalten. Wie aus den wenigen aktuellen Recherchen zum Thema zu entnehmen ist, gehen in künstlerischen Berufen weniger als 2% der AbsolventInnen von Kunsthochschulen den traditionellen Weg, den man sich im Allgemeinen unter einer künstlerischen Karriere vorstellt: Akademie - Galerie - Museum. Was aber machen die anderen 98% der Studierenden? Haben diese AbsolventInnen als KünstlerInnen versagt oder ist die Ursache für diese hohe >Fehlerquote< womöglich bei den Kunsthochschulen selbst zu suchen? Daß nur max. 2% der Kunsthochschulabsolventinnen zu >Orchideen unserer Gesellschaft< erblühen, liegt natürlich nicht nur daran, daß es sowenig >talentierte<> KünstlerInnen gibt, sondern ist auch darin begründet, daß das künstlerische Feld der sogenannten Hochkultur auf dem Prinzip der Verknappung künstlerischer Produktion im Sinne des Außergewöhnlichen, basiert und gar nicht mehr >Beteiligte< verkraftet. Detaillierte Aufschlüsse kann uns hierzu der Aufsatz >Ökonomisches Kapital / Kulturelles Kapital / Soziales Kapital< des französischen Soziologen Pierre Bourdieu liefern.

Vielleicht müssen wir aber auch nur in der eigenen Vorstellung ein nicht mehr adäquates Bild des Künstlers korrigieren, daß wir an der Realität vorbei, im Schutzraum der Akademien und Kunsthochschulen, konservieren. Das mag sich banal anhören, gewinnt jedoch an Brisanz, wenn man sich vergegenwärtigt, daß eine der wesentlichen aktuellen Anforderungen, mit denen sich vor allem die StudentInnen konfrontiert sehen, darin besteht, daß sich sowohl die Bereiche Technik wie Erwerbsarbeit in einer Spirale der Beschleunigung und Auflösung bewegen. Das führt dazu, daß weniger als je zuvor vorhersehbar ist, wohin sich unsere Gesellschaft in Zukunft entwickelt - und vor dieser Tatsache kann sich auch das kulturelle Feld nicht verschließen. Der künstlerische Nachwuchs hat längst erkannt, daß für ihre Produktion in Zukunft freie Plattformen eher im World Wide Web, im Filmoder Musikgeschäft oder in Fernsehkanälen wie arte, Channel 4 oder MTV zur Verfügung stehen, als in der Oper, im Theater oder im Museum der Moderne.

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Gerade in der Berührung und Vermischung kultureller und gesellschaftlicher Felder und in der freien >Erforschung< dieser Schnittstellen liegen heute Potentiale künstlerischer Bildung. Dies bedeutet, daß an deutschsprachigen Kunsthochschulen neben den sogenannten künstlerischen und traditionellen theoretischen Lehrinhalten wie der Kunstgeschichte selbstverständlich auch die Auseinandersetzung mit Kultur- Gesellschafts- und Medientheorien, Gender-Studies, Vermittlungspraktiken, Kulturpolitik und Cultural Studies, interkulturelle und populärkulturelle Themen in Lehrplänen verankert werden müssen. Diese Lehrinhalte sollten gleichberechtigt und nicht nur als randständige Ergänzung eingeführt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Großbritannien, wo PopmusikerInnen häufig aus Kunsthochschulen kommen und wo im Gegenzug erfolgreiche Autodidakten, seien es nun DJs oder ClubbetreiberInnen, als Lehrende verpflichtet werden, die durch ihre selbst gelebte kulturelle Praxis auch theoretisch auf für sie neu geschaffenen Lehrstühlen wie z.B. Visual Culture überzeugen können. Geschlossene Meisterklassen sollten zugunsten durchlässiger Strukturen und heterogen zusammengesetzter Ausbildungsteams geöffnet werden und zudem sollten ko-produktive Arbeitsstrukturen parallel zum Künstlersubjekt gefördert werden. Die theoretische Bildung innerhalb künstlerischer Ausbildung muß dringend gestärkt und Theorie und Praxis sollten dabei in Form von projektorientierten Studien verknüpft werden. Frontalunterricht sollte auch in den theoretischen Fächern reduziert werden und statt dessen sollten die Studierenden als Mitarbeitende verstanden d.h. aktiv in die Gestaltung der Lehre mit einbezogen werden.

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