»Das Original in der Museumsumgebung vor mir zu haben, ist etwas Besonderes«
Nachdem Max Hollein sich in der Solomon R. Guggenheim Foundation, New York City, als Kenner und Könner professioneller Museums- und Ausstellungskultur profiliert hat, steht der 33-jährige seit Beginn 2002 als Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt vor; seine erste große Ausstellung >Shopping< wird in Kürze eröffnet. Ganz unkompliziert werde ich, trotz meines etwas verfrühten Eintreffens, direkt zu ihm in das modernistisch eingerichtete Direktorenbüro geschleust. Gelöst plaudern wir bei einem Glas Wasser über den Umgang mit und Strategien der Kulturförderung durch Unternehmen, Fragen und Intentionen des Ausstellens und was Künstler der Gesellschaft so zu bieten haben.
Herr Hollein, sie haben die Entwicklung, die Expansion und auch eine gewisse Neuausrichtung der Solomon R. Guggenheim Foundation mit begleitet und mitgeprägt. Deren Form der Museumskultur aus privater Initiative heraus, in den USA durchaus üblich, unterscheidet sich sicherlich sehr stark im Vergleich zu der deutschen, öffentlich-rechtlich institutionalisierten Museumskultur. Mit welchen Differenzen sehen Sie sich jetzt hier an der Schirn Kunsthalle direkt konfrontiert bzw. was konnten Sie in der ersten Zeit bereits an grundsätzlichen Änderungen herbeiführen?
Max Hollein: Die Unterschiede zum amerikanischen Prinzip sind deutlich. In den USA handelt es sich in der Regel um private Stiftungen, die ohne die Unterstützung der öffentlichen Hand auskommen. Allerdings, in einer Kultur, die das Mäzenatentum fördert, wird von einer Person der Nobilität erwartet, dass sie ein Viertel, die Hälfte oder was auch immer ihres Vermögens spendet, sonst könnte sie gesellschaftlich in den USA nicht überleben. Das erzeugt ein besonderes Klima, aus dem heraus sich die Institutionen finanzieren, wobei sie allerdings auch gegen andere Bereiche kämpfen müssen. In den USA konkurriert die Kulturwelt beispielsweise mit der Krebsforschung und den Schulen um diese Gelder. Dies ist auch sehr stark von Stimmungen abhängig. Man hat es ja ganz deutlich nach den Terroranschlägen des 11. September gesehen: Es gab eine Meldung von gemeinnützigen Vereinen, die Obdachlose unterstützen, dass sie so viele Spenden wie nie bekommen haben; die Leute konnten, auch durch die Festlegung der öffentlichen Meinung, gar nicht mehr aufhören zu spenden. Diese Vereine mußten dann die Leute auffordern, aufzuhören Spenden zu schicken, da sie aufgrund der Geldmengen Gefahr liefen, ihren gemeinnützigen Status zu verlieren. In Europa haben sie eine Situation, in der Kulturinstitutionen noch stärker sind, weil sie von der politischen Hand gestützt werden, wobei sich allerdings die öffentliche Hand zunehmend aus dieser Verpflichtung herauszieht oder herausziehen will. Wir Direktoren können das irgendwie verzögern, indem wir immer wieder vom Ende der Kultur sprechen oder vom Zusammenbruch dieser Institutionen, aber es ist eine Entwicklung, die wir wohl nicht aufhalten können. Wenn es sich so ergibt, müssen allerdings auch die Umfeldstrukturen andere sein. Das hat schon mit der Steuergesetzgebung zu tun, aber auch mit dem Umfeld, wie der Bürger, das heißt der Steuerzahler, damit umgeht. Er muss, wenn er spendet, das Gefühl haben, dass er weniger Steuern zahlt und zugleich der Gemeinschaft wieder etwas zurückgibt. Das amerikanische System wird dahingehend kritisiert, dass Unternehmen mit Sponsoring überall Einfluß nehmen usw.; Faktum ist, dass das amerikanische Prinzip, ganz im Gegensatz zu Deutschland, viel stärker auf das Mäzenatentum aufbaut. Sponsoring durch Mäzenatentum interessiert hier keinen, es muss immer eine direkte Gegenleistung geben. Was das Sponsoring angeht, das auch wichtig ist, sind wir jetzt auch an vorderster Front mit dabei, aber es fehlt in Europa an mäzenatischer Kultur. Es ist auch durchaus verständlich, dass sich die private Seite aufgrund der Steuerlast nicht in der Verpflichtung fühlt und weil die öffentliche Hand traditionell das Kulturleben finanziert. De facto ist der mäzenatische Beitrag in den USA ja auch eine Steuer: Weil top-verdienende oder wohlhabende Menschen nicht so hoch besteuert werden, haben sie die Verpflichtung, der Gemeinschaft etwas zurückzugeben. Dabei bestimmen sie direkt, wem sie etwas geben. Der große Unterschied ist, dass wir hier die Situation haben, dass beispielsweise die Kommune entscheidet, wie das Geld verteilt wird; in den USA, ein typisch amerikanisches Prinzip der direkten Initiative, entscheidet der, der das Geld gibt, wem er es gibt.
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Unternehmen ist die Professionalität in der Zusammenarbeit entscheidend, die man mittlerweile in Europa auch schon finden kann. Man glaubt, da kommt jetzt jemand aus den USA, der kann das aus dem Effeff; ich glaube, dass eine ganze Reihe von meinen Kollegen mittlerweile auch schon sehr gute Fundraiser sind und auch sehr gut mit Sponsoren umgehen können. Sie wissen, was für eine Art von Plattform man bilden, welche Möglichkeiten man anbieten muss. Dabei geht es hauptsächlich darum, wie professionell Ihr Partner ist und was für eine Kultur dort bereits herrscht. Nehmen sie Philipp Morris; dieses Unternehmen kann oftmals nicht so gut werben, weil sein Produkt bei anderen Werbepartnern für Widerspruch sorgt. Philipp Morris engagiert sich schon seit Jahrzehnten sehr stark im Kulturbereich, die haben auch im Unternehmen eine unglaubliche Kultur, nicht nur im Verständnis, auch in der Infrastruktur. Wenn Sie andere Unternehmen zum ersten Mal für Kultur oder Kunst zu begeistern versuchen, dann müssen Sie sehr viel Überzeugungsarbeit leisten.
Ist dies dann eigentlich eine Kulturvermittlungstätigkeit seitens der Institution in das Unternehmen hinein? Gibt es einen selbstgewählten >Kulturierungsauftrag< der Institution Museum hin zu den Firmen?
Max Hollein: Das würde ich so nicht formulieren. Ich glaube, dass der Vermittlungsauftrag gegenüber dem allgemeinen Besucher besteht. Aber Sie müssen natürlich, um mit Unternehmen kommunizieren zu können, auch deren Sprache sprechen. Sie müssen allerdings auch verstehen, warum solche Unternehmen etwas sponsern. Warum macht wer was und was unterscheidet uns von anderen Maßnahmen? Warum sponsert dieses oder jenes Unternehmen um gar mehr Umsatz zu haben? Warum sollten sie bei uns investieren und nicht vielleicht in mehr Werbung?
Was sind die Vorteile eines Museums als Marketingplattform im Vergleich zu einer Anzeigenkampagne oder beispielsweise einem Sportturnier?
Max Hollein: Ganz klar, Sie haben, indem Sie segmentieren, in ihrer Klientel geringere Streuverluste, weil das Publikum, das an der Kunst teilnimmt, in der Regel wohlhabender ist, vielleicht auch gebildeter, weil es sehr positiv konditioniert und im Unterschied zu einer Massen- oder Fußballveranstaltung auch sehr aufnahmefähig ist. Unser Thema ist außerdem sehr positiv besetzt, das ist natürlich auch etwas, das Unternehmen suchen. Auf der anderen Seite haben Unternehmen eine gewisse Verpflichtung zu >corporate citizenship<, eine Verpflichtung gegenüber den Institutionen an ihrem Standort. Man muss schon sehen, dass diese Zusammenarbeit für die Institution natürlich eine reine Überlebensstrategie ist. Klar lehnt man sich am liebsten zurück und hat das Geld, es aufzutreiben ist einfach zusätzliche Arbeit. Auf der anderen Seite will man sich nicht von einem Budget der öffentlichen Hand einengen lassen. Das sind zwei mögliche Wege: So viel stellt die Stadt mir zur Verfügung, damit kann ich eine Ausstellung machen, den Rest der Zeit mache ich zu oder arbeite auf Sparflamme; oder man geht so vor, dass man fragt, was möchte ich erreichen, was ist jetzt wichtig, gezeigt zu werden, welche Möglichkeiten möchte ich den Künstlern bieten, mit denen ich zusammenarbeite? Dafür muss ich allerdings auch die Mittel steigern.
Inwieweit beeinflussen dann Geldgeber auch das kuratorische Programm, die Inhalte des Museums, die Vermittlungstätigkeit?
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