Transferkunst
Künstlerische Forschung am Beispiel von kFP/02
Künstlerische Forschung ist, wie jede Forschung, ein Abenteuer. Hinzu kommt, dass sie nicht an vorgegebene Methoden gebunden und frei vom Zwang zur Theoriebildung ist sie kann sich also ständig neu erfinden. In diesem Kapitel stellen die Herausgeber künstlerische Forschungsarbeit am Beispiel von >kFP/02 - künstlerisches Forschungsprojekt 2002< vor.
Das Künstlerhaus Dortmund, insbesondere An Seebach, wollte seit geraumer Zeit ein Stipendium für interdisziplinär arbeitende Künstler einrichten, sprach Ende 2001 die Herausgeber an und konnte sie als externe Experten für die Untersuchung der Machbarkeit und für die inhaltliche Grundlagenarbeit gewinnen. Diese Forschungsarbeit mit abschließender Präsentation trug den Titel >kFP/02 - künstlerisches Forschungsprojekt über Transfer- und Integrationsleistungen künstlerischer Tätigkeit im Kontext von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie deren Verhältnis zur gesellschaftlichen Lebenspraxis<. Recherchezeitraum war von Januar bis August 2002, die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden vom 6. September bis 13. Oktober 2002 im Künstlerhaus Dortmund präsentiert. Das Grundlagenpapier der Forschungsarbeit definierte Transfer- und Integrationsleistungen wie folgt: »Transfer meint in diesem Zusammenhang die kritische Vermittlung lebenspraktischer Bedürfnisse an Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, wie auch die Kommunikation der Erkenntnisse und Effekte dieser Bereiche in der Gesellschaft. Integration ist die Verankerung von differenziertem Reflexionswissen im Alltag mit Hilfe künstlerisch-ästhetischer Strategien.«
Im Verlauf des Forschungsprojekts ließ sich feststellen, dass insbesondere auf institutioneller Ebene ein Mangel an unterstützender Arbeit bei der Vernetzung und Vermittlung zwischen den verschiedenen Disziplinen herrscht. Ein Stipendium in traditioneller Form wurde als nicht zweckmäßig verworfen, da im Rahmen dieser transdisziplinären Aktivitäten die Förderung der Kommunikation und die Kontinuität der inhaltlichen Arbeit im Vordergrund stehen muss und nicht die Unterstützung einzelner Personen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde ein Modell für das zu gründende >Institut für künstlerische Forschung< (IkF) entwickelt. Die einleitenden Absätze des Konzeptionspapiers verdeutlichen dessen Hintergrund und Aufgabenstellung:
»In der Kunst zeichnet sich immer deutlicher die Tendenz ab, gesellschaftsbezogen zu arbeiten. Künstler kooperieren mit Wirtschaft und Wissenschaft, konzipieren soziale Projekte und operieren im politischen Raum. Sie begnügen sich nicht länger mit objekthaftem Gestalten, sondern suchen unter Anwendung ihrer künstlerischen Kompetenzen nach Antworten auf gesellschaftliche Fragestellungen. Kunst bietet damit Transfer- und Integrationsleistungen an, die für die Gestaltung der gesellschaftlichen Zukunft von elementarer Bedeutung sind.
Das IkF bildet das Zentrum des internationalen Austausches von interdisziplinär forschenden und agierenden Künstlern, Wissenschaftlern und Unternehmern. Am IkF erhalten Künstler die Möglichkeit, zeitlich begrenzt, finanziell ausreichend dotiert und infrastrukturell professionell unterstützt, Kooperationen mit Experten unterschiedlicher gesellschaftlicher Felder zu initiieren und zu elaborieren. Darüber hinaus dient das Institut als Archiv und Datenbank für transdisziplinäres künstlerisches Arbeiten.«
Für die Fragestellung, wie geeignete Personen für die Arbeit im Institut gefunden und ausgewählt werden könnten, beauftragten wir Prof. Michael Lingner als weiteren Experten. Auftragsgegenstand war dabei unsere Überlegung, daß die Auswahl für die Förderung nicht unzulängliche Methoden traditioneller Jurierung anwendet, sondern der Auswahlprozess als honoriertes Fachkolloquium mit den sich bewerbenden Künstlern, Wissenschaftlern und Unternehmern geführt wird. In diesem werden themenbezogene Zielsetzungen und Projekte erarbeitet, deren Umsetzung für einen bestimmten Zeitraum Personen aus dem Kreis der Teilnehmer als Aufgabe übertragen werden. Die Auswahl erfolgt somit nicht selektiv, sondern diskursiv.
Wir können drei wesentliche Ergebnisse feststellen:
Die Grundlagenforschung für den Themenkomplex Kunst Wirtschaft Wissenschaft erhält mit dem Forschungsprojekt und der vorliegenden Publikation einen wesentlichen Impuls. In diesem Zusammenhang wird >Transferkunst< als neuer Terminus verankert.
Die visuell-ästhetische Umsetzung des Forschungsprozesses und seiner Ergebnisse eröffnet für die Bereiche Wirtschaft und Wissenschaft neue Perspektiven im Prozess- und Projektmanagement. Transferkunst steht für eine Methode ästhetisch-reflexiver Erzeugung und Vermittlung von Erkenntnissen und Bedeutungen; Reflexionsarbeit wird dabei in ästhetischer Form geführt und daraus gewonnene Erkenntnisse in den inhaltlichen Diskurs zurück transferiert.
Der Zukunftsentwurf eines >Institut für künstlerische Forschung< wo immer es realisiert werden wird öffnet den Horizont künstlerischer Tätigkeit hin zu fundiertem gesellschaftsorientierten Arbeiten und bietet Wirtschaft und Wissenschaft die Chance, von qualifizierter künstlerischer Kompetenz zu profitieren. Der Mehrwert, der daraus entsteht, ist nicht nur ein ökonomischer, sondern ein im umfassenden Sinn kultureller. Der Schlüssel dafür ist Kunst als Transferdisziplin kurz: Transferkunst.
Klaus Heid, Ruediger John, Januar 2003